Mit dem Higgs-Boson auf der Spur von dunkler Materie

Die Frage nach der Teilchennatur der dunklen Materie ist nach wie vor unbeantwortet, wobei ihre nicht verschwindende Masse eine Wechselwirkung mit dem entdeckten Higgs-Boson nahe legt. Bei der Suche nach Prozessen, in denen die Teilchen der dunklen Materie zusammen mit dem Higgs-Boson erzeugt werden, konnte die ATLAS-Kollaboration die bisher höchste Sensitivität erreichen. Es wurden keine Abweichungen von den Vorhersagen des Standardmodells beobachtet, wodurch stringente Ausschlussgrenzen auf solche Prozesse gesetzt werden konnten, unter anderem zum ersten Mal in generischer Form von oberen Grenzen auf Produktionswirkungsquerschnitte bei einer Schwerpunktsenergie von 13 TeV.

Dunkle Materie (DM) macht einen Großteil der Materie im Universum aus, dennoch bleibt ihre Teilchennatur eine der zentralen offenen Fragen der heutigen Physik. Die Entdeckung des Higgs-Bosons hat ein neues Fenster für die Suche nach DM am LHC eröffnet. In vielen Theoriemodellen wird dabei die assoziierte Produktion von DM-Teilchen mit einem Higgs-Boson, h+DM , vorhergesagt. Das Besondere an solchen Prozessen ist, dass sie direkte Hinweise über die Natur der harten Wechselwirkung zwischen dem Higgs-Sektor und DM-Teilchen erlauben, da die Produktion durch Higgs-Boson-Abstrahlung von Quarks im Anfangszustand Yukawa-unterdrückt ist.

Die charakteristische Signatur der h+DM-Produktion besteht aus einem Higgs-Boson und fehlendem Transversalimplus ETmiss von DM-Teilchen in der entgegengesetzten Richtung. Die vorgestellte Suche wurde in dem dominanten Zerfallskanal H → bb durchgeführt, um die Sensitivität zu maximieren. Der Higgs-Boson-Kandidat wird als ein Paar von b-Quark-Jets oder, bei höherem Higgs-Boson-Boost, als ein breiter Jet mit b-Quarks rekonsturiert. Die invariante Masse der Higgs-Boson-Kandidaten dient als Hauptdiskriminante in vier ETmiss-Signalregionen.

Eine besondere Herausforderung bei der Analyse stellt der ETmiss-Trigger dar, dessen korrekte Beschreibung in Monte-Carlo-Simulationen eigens kalibriert werden musste. Eine weitere Herausforderung sind die hohen Untergründe, deren Beitrag durch optimierte Selektionskriterien um bis zu 60% reduziert werden konnte, und die durch einen simultanen Fit in den Signal- und dedizierten Kontrollregionen bestimmt wurden. Die resultierende Verteilung der Hauptdiskriminante ist in Abb. 1 dargestellt. Die Beobachtung ist im Einklang mit Standardmodellvorhersagen und führt zu den weltweit stärksten Aussschlussgrenzen auf h+DM-Produktion. Insesondere sind auch zum ersten Mal generische Ausschlussgrenzen auf h+DM-Produktionswirkungsquerschnitte bei einer Schwerpunktsenergie von 13 TeV gesetzt worden, siehe Abb. 2.

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Abb. 1: Verteilung der invarianten Masse des Higgs-Boson-Kandidaten mjj in einer repräsentativen ETmiss-Signalregion.

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Abb. 2: CLS-Ausschlussgrenzen auf die Produktion von DM-Teilchen und einem Higgs-Boson auf Detektorniveau.

Die Analyse wurde federführend an der Universität Heidelberg und am Max-Planck-Institut für Physik, unter Beteiligung anderer Institute, durchgeführt und ist in Phys. Rev. Lett. 119, 181804 (2017) (DOI:10.1103/PhysRevLett.119.181804) veröffentlicht worden. Weitere Details unter: https://atlas.web.cern.ch/ Atlas/GROUPS/PHYSICS/ PAPERS/EXOT-2016-25/.


Kontakt:
Priv.-Doz. Dr. Oleg Brandt, obrandt@kip.uni-heidelberg.de
Dr. Sandra Kortner,sandra@mpp.mpg.de
Prof. Dr. Hans-Christian Schultz-Coulon, coulon@kip.uni-heidelberg.de

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