Physik des Top-Quarks


Das Top-Quark spielt als schwerstes Teilchen des Standardmodells eine besondere Rolle. Seine hohe Masse von ca. 173 GeV ist ein wichtiger freier Parameter des Standardmodells. Als einziges Quark zerfällt das Top-Quark, bevor es hadronisiert und gebundene Zustände eingehen kann. Über die Rekonstruktion seiner Zerfallsprodukte lassen sich daher direkt Rückschlüsse über die Eigenschaften und Wechselwirkungen eines einzelnen Quarks ziehen.

Derzeit ist der LHC der einzige Beschleuniger, an dem Top-Quarks produziert werden können. Die bisher gesammelten Datensätze bei Schwerpunktenergien von 7, 8 und 13 TeV erlauben Präzisionstests des Standardmodells bei verschiedenen Energien und die Suche nach Erweiterungen des Standardmodells, bei denen das Top-Quark aufgrund seiner hohen Masse ebenfalls meist eine große Rolle spielt. Viele solcher Analysen wurden bereits erfolgreich und mit wichtiger Beteiligung aus Deutschland durchgeführt. Hier ein paar Beispiele.

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Am ATLAS-Experiment gemessener Wirkungsquerschnitt für die Produktion von Top-Antitop-Paaren als Funktion der Schwerpunktsenergie.


Eine wichtige Messung ist die des Produktionswirkungsquerschnitts von Top/Antitop-Paaren via der starken Wechselwirkung (QCD), inklusiv (siehe Abbildung) und differentiell, sowie mit Emission zusätzlicher Jets. Ebenso relevant ist die detaillierte Vermessung des Wirkungsquerschnitt einzelner Top-Quarks, die über elektroschwache Prozesse erzeugt werden. Fundamentale Eigenschaften des Top-Quarks und der Produktionsprozesse sind Gegenstand vieler Messungen. Bisherige Messungen umfassen die genaue Bestimmung der Top-Quark-Masse, die Messung der Spin-Korrelationen und der Ladungsasymmetrie in der Top/Antitop-Paarproduktion, sowie die Polarisation der Top-Quarks und der im Top-Quark-Zerfall auftretenden W-Bosonen in der Paarproduktion und der Einzel-Top-Quark-Produktion (Stand Januar 2017). Besonders interessant und durch die hohen Schwerpunktsenergien auch zugänglich sind die Kopplungen von Top-Quarks an andere Bosonen. Sie erlauben Tests der QCD, der elektroschwachen Wechselwirkung und der Interaktion mit dem Higgs-Sektor. Gemessen wurden bisher die Wirkungsquerschnitte von Top/Antitop-Paaren mit Photonen, W- und Z-Bosonen und Higgs-Bosonen.

Spannend ist des Weiteren, die Suche nach bisher unbekannten, neuen Teilchen und Prozessen indirekt über die eben beschriebenen Kopplungen sowie über die Messung von Flavour Changing Neutral Currents (FCNCs). Ebenso wurden direkte Suchen über Resonanzen, die in Top/Antitop-Paare zerfallen, durchgeführt.

Federführend für die Vermessung des Top-Quarks und beteiligt an den genannten Analysen sind unter anderem die Universitäten und Forschungseinrichtungen: HU Berlin, Bonn, DESY, Dortmund, Göttingen, Heidelberg, Mainz, LMU und MPP München, Siegen und Wuppertal.

Durch die erfolgreiche Datennahme am LHC bisher und in Zukunft werden immer höhere Energieskalen untersucht werden und das Standardmodell mit immer höherer Präzision auf Abweichungen getestet werden können. Dies verspricht eine Vielzahl weiterer spannender Ergebnisse in der laufenden Förderperiode und in der Zeit darüber hinaus.

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