Physik mit b-Quarks

B-Quarks sind die schwersten Quarks, die gebundene Zustände bilden, bzw. die zweitschwersten Quarks im Standardmodell (SM) insgesamt. Eine mögliche Klasse an gebundenen Zuständen, die b-Quarks enthalten, sind die B-Mesonen, welche zudem noch aus leichten Quarks bestehen. Die Analyse ihrer Zerfälle bietet die Möglichkeit einen sonst nicht zugänglichen Teil des Standardmodells zu studieren und damit auch nach neuer Physik jenseits des Standardmodells (BSM) zu suchen. Besonders sensitiv sind hierbei Suchen nach seltenen oder sehr seltenen Zerfällen, bzw. nach im SM verbotenen Prozessen, ebenso wie Präzisionsmessungen der Cabibbo-Kobayashi-Maskawa-Mischungmatrix (CKM). Die Beobachtung von Abweichungen von den im SM erwarteten Werten würde dabei indirekt auf die Existenz von Physik jenseits des Standardmodells hinweisen.

Ein Beispiel ist der seltene Zerfall Bs0 → μ+ μ-, der im SM aufgrund seines Quark-Flavor-ändernden neutralen Stroms (FCNC) und der Helizitätszustände der Myonen im Endzustand stark unterdrückt ist. Die im LHC-Run 1 gemessenen Werte sind etwas kleiner als die theoretische Vorhersage und stimmen mit dieser innerhalb des Doppelten (kombinierte LHCb- und CMS-Messung) bzw. Dreifachen (ATLAS-Messung) der experimentellen Messgenauigkeit überein.

Ein weiterer spannender Zerfall ist die Suche nach dem noch selteneren Zerfall B0 → μ+ μ-, der noch stärker CKM-unterdrückt ist. Das im SM erwartete Verzweigungsverhältnis ist daher sehr klein, wohingegen mehrere Szenarien für BSM-Physik signifikant größere Verzweigungsverhältnisse vorhersagen. In anderen BSM-Szenarien besteht die Möglichkeit, dass dieser Zerfall wesentlich stärker unterdrückt ist als vom SM erwartet. Mit den Daten aus dem LHC-Run 1 konnte von der ATLAS-Kollaboration das Verzweigungsverhältnis noch nicht direkt gemessen werden, wobei die CMS- und LHCb-Kollaborationen in der Kombination ihrer Messungen erste Hinweise auf den Zerfall beobachten konnten.

Eine Darstellung der gemessenen und erwarteten Verzweigungsverhältnisse für die beiden genannten Zerfälle ist in untenstehender Abbildung gezeigt. Mit den Daten des LHC Run-2 soll eine höhere Präzision der Messungen erreicht werden. Eine starke deutsche Beteiligung an den bisherigen und den laufenden Messungen ist durch die Universität Siegen gegeben.

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Gemessene und erwartete Verzweigungsverhältnisse (B) der Zerfälle Bs0 → μ+ μ- und B0 → μ+ μ-. Gezeigt sind der wahrscheinlichste Wert (Maximum der Likelihood) für ATLAS und der gemessene Wert für die kombinierte Messung von CMS und LHCb sowie die Standardmodellvorhersage -- in der Ebene, die durch die Verzweigungsverhältnisse der beiden Zerfälle aufgespannt wird. Die Konturen beschreiben die Bereiche mit nach außen hin fortschreitendem Abfall der Wahrscheinlichkeit (Likelihood) bzw. die Bereiche innerhalb des Einfachen, Doppelten oder Dreifachen der Messungenaugigkeit.

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