Die Suche nach Supersymmetrie

Einen wichtigen Forschungsschwerpunkt des ATLAS-Experiments stellt die Suche nach Erweiterungen des Standardmodells dar. Hierbei sind besonders Modelle von Supersymmetrie (SUSY) theoretisch gut motiviert.

Sollten supersymmetrische Partner der Teilchen des Standardmodells am LHC erzeugt werden, so würden sie in typischen Modellen über mehrere Schritte in das leichteste supersymmetrische Teilchen zerfallen, das den Detektor ohne Wechselwirkung verlässt und nur durch eine scheinbare Verletzung der Impulserhaltung in den Ereignisse auftritt. Ein solches Teilchen wäre ein favorisierter Kandidat für Dunkle Materie. Am LHC würden aufgrund der Kopplung an die starke Wechselwirkung insbesondere die Partnerteilchen der Quarks und Gluonen mit hohen Raten auftreten.

Sensitivität für den größten Massenbereich potentieller SUSY-Teilchen wird demzufolge in Endzuständen mit Jets und fehlendem Transversalimpuls erreicht, insbesondere in der Suche nach den Partnern der Gluonen und Quarks der ersten und zweiten Generation. Leptonen in den Zerfallsketten der SUSY-Teilchen oder im Zerfall entstehender W- und Z-Bosonen können helfen, Standardmodelluntergründe zu unterdrücken. Für SUSY-Partner der Gluonen und leichten Quarks wurde schon in der ersten Datennahmeperiode des LHC die Sensitivität vorheriger Experimente weit übertroffen. Leider konnte keine Physik jenseits des Standardmodells beobachtet werden. Die Ausschlussgrenzen auf die Massen der so genannten Squarks und Gluinos lagen nach der ersten Datennahmeperiode des LHC bei bis zu 1,4 TeV. Schon 2016 wurden Ergebnisse mit neuen Daten bei einer LHC-Schwerpunktsenergie von 13 TeV veröffentlicht, wobei sich unter anderem einige Hinweise auf mögliche neue Physik aus der ersten Datennahmeperiode leider nicht bestätigt haben. Infolgedessen wurden die Grenzen, welche Masse neue Teilchen haben könnten, zu höheren Werten von bis zu 1,8 TeV verschoben, in vielen Fällen mit maßgeblicher Beteiligung von deutschen Arbeitsgruppen.

Zur Lösung des Hierarchieproblems der Higgsmasse sind in Modellen so genannter natürlicher Supersymmetrie Partner der Standardmodellteilchen mit Massen nahe der elektroschwachen Skala wünschenswert. Diese Möglichkeit steht durch die neuesten experimentellen Ergebnisse zunehmend unter Druck. Es ist jedoch nicht erforderlich, dass z.B. die Partner aller Quarks im Bereich bis zu TeV liegen. Durch die starke Kopplung des Higgs an Quarks der dritten Generation reichen "leichte Partner" des Top- und/oder Bottom-Quarks zur Lösung des Hierarchieproblems selbst dann aus, wenn die meisten anderen SUSY-Teilchen deutlich schwerer sind. In den entsprechenden Suchen spielen neben fehlendem Transversalimpuls, Jets und Leptonen der Nachweis von Top- oder Bottom-Quarks im Endzustand eine zentrale Rolle. Deutsche Gruppen tragen zu mehreren Analysen federführend bei, sowohl in Endzuständen ohne Leptonen, als auch mit leichten Leptonen oder Taus. Erste Ergebnisse mit Daten bei 13 TeV, veröffentlicht oder vorläufig für Konferenzen herausgegeben (Stand Januar 2017), zeigen keinen signifikanter Überschuss über die Standardmodellerwartung. Folgerichtig haben sich z.B. die unteren Massengrenzen auf Top-Partner auf bis zu 850 GeV erhöht.

Eine weitere Möglichkeit stellen Modelle dar, in denen der Zerfall der SUSY-Teilchen entweder keinen hohen fehlenden Transversalimpuls erzeugt - komplementär zu der Annahme in obigen Analysen - , oder durch eine hohe Lebensdauer der SUSY-Teilchen nicht im Zentralbereich des Detektors erfolgt. Auch hierbei leisten ATLAS Gruppen in Deutschland wesentliche Beiträge. Vor allem im Bereich der Suche nach langlebigen SUSY-Teilchen bei einer Schwerpunktsenergie von 13 TeV wurden bis Anfang 2017 schon mehrere Ergebnisse veröffentlicht.

Bei immer strengeren Ausschlussgrenzen für SUSY unter der Annahme der Produktion der SUSY-Teilchen durch Prozesse der starken Wechselwirkung, aber auch durch immer größere verfügbare Datenmengen, erhält die Untersuchung von Modellen, in denen nur die elektroschwache Produktion von SUSY-Teilchen in der Reichweite des LHC liegt, zunehmend an Gewicht. Hier waren bisher, durch die deutlich kleineren Produktionswirkungsquerschnitte, noch große Teil des Phasenraums unter 1 TeV offen. 2016 wurden bereits vorläufige Ergebnisse bei 13 TeV veröffentlicht, abermals mit deutscher Beteilung.

Eine Übersicht über die bereits ausgeschlossenen Massenbereiche einer Auswahl von möglichen Modellen ist in untenstehender Abbildung gezeigt (Stand Sommer 2016). Universitäten und Forschungseinrichtigungen, die in Deutschland wesentlich zu den Suchen nach SUSY beigetragen haben, sind unter anderem Bonn, DESY, Freiburg, Göttingen, Mainz, LMU und MPP München, Würzburg und Wuppertal.

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Ausschlussgrenzen der ATLAS-Kollaboration für die Existenz von supersymmetrischen Teilchen. Gezeigt ist eine repräsentative Auswahl von in verschiedenen Analysen gewonnenen Massengrenzen (auf 95% Vertrauensniveau).

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