Erste systematische Messung von Top-Tagging-Effizienzen

In einer neuen Analyse der ATLAS-Kollaboration wurden zum ersten Mal systematisch die Effizienzen verschiedener Top-Tagging-Methoden doppelt-differentiell als Funktion der Pseudorapidität und des Transversalimpulses des betrachteten breiten Jets (fat jet) gemessen. Diese Ergebnisse sind für Suchen nach neuer Physik und Messungen von Standardmodell-Prozessen mit hochenergetischen Top-Quarks relevant.

Das schwerste Elementarteilchen, das Top-Quark, wird am Large Hadron Collider in großen Mengen in Proton-Proton-Kollisionen erzeugt. Die Zerfallsprodukte eines hochenergetischen Top-Quarks sind in dessen Flugrichtung kollimiert und können in einem einzelnen fat jet mit großem Radiusparameter zusammengefasst werden. Die studierten Top-Tagging-Algorithmen klassifizieren den fat jet als Top-Jet, falls seine Struktur mit einem hadronischen Top-Quark-Zerfall kompatibel ist.


Zur Bestimmung der Effizienz kam ein Datensatz zum Einsatz, der zu 97% aus Top-Quark-Ereignissen besteht. Die Wahrscheinlichkeit der Fehlklassifikation eines Untergrund-Jets als Top-Jet wurde anhand von Multijet-Ereignissen bestimmt.

Effizienz, mit der ein Signal-Jet durch den HEPTopTagger als Top-Jet klassifiziert wird

Die mit Monte-Carlo-Generatoren simulierten Effizienzen und Mistag-Wahrscheinlichkeiten sind mit den Messungen innerhalb der Unsicherheiten von 8‒35% kompatibel. Der größte Beitrag zu den Unsicherheiten resultiert dabei aus der Modellierung von Top-Antitop-Quark-Ereignissen (t t̅ ). Wie in dieser Arbeit zum ersten Mal gezeigt wurde, führt die Propagation der Unsicherheiten auf die Monte-Carlo-Vorhersagen zu einer Abdeckung der wahren Tagging-Effizienzen, so dass eine Verwendung der Vorhersagen in Analysen möglich ist, z.B. in Suchen nach t t̅ -Resonanzen.

Vergleiche von Top-Tagging-Methoden wurden als Funktion des fat jet-Transversalimpulses mit simulierten Monte-Carlo-Ereignissen durchgeführt.

Simulierte Effizienz und Untergrundunterdrückung für verschiedene Top-Tagging-Methoden

Die untersuchten Tagging-Methoden unterscheiden sich in ihrer Komplexität und reichen von Schnitten auf Jetsubstrukturvariablen (Jetmasse, N-subjettiness, kT-Splitting-Skala) zum QCD-inspirierten HEPTopTagger und dem probabilistischen Ansatz in Shower Deconstruction. Die Wahl der Tagging-Methode wird je nach Physik-Analyse vorgenommen, unter Berücksichtigung des untersuchten kinematischen Bereichs und der Anforderungen an Signaleffizienz und Untergrundunterdrückung.

Desweiteren wurde in der Veröffentlichung zum ersten Mal der rekonstruierte Top-Quark-Massen-Peak zur Insitu-Kalibration der Subjet-Energien verwendet und eine neue Tagging-Methode für besonders komplexe Endzustände entwickelt. Die Arbeit wurde unter deutscher Leitung und maßgeblich von Gruppen in Berlin, Dortmund, Heidelberg und Mainz ausgeführt. Die Veröffentlichung erschien am 11. März 2016 als Preprint (arXiv:1603.03127 [hep-ex]) und wurde bei JHEP eingereicht.

Kontakt:
Prof. Karl Jakobs, Sprecher des FSP103-ATLAS
Prof. André Schöning, Universität Heidelberg

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