Messung des “Underlying Events”

Ein interessantes Proton-Proton-Kollisionsereignis am LHC ist durch die “harte” Streuung zweier Partonen (Quarks oder Gluonen) charakterisiert, die Teilchen mit hohem transveralimpuls produzieren. In einem solchen Streuereignis finden aber auch weitere Parton-Parton-Streuungen statt, die zusätzliche Teilchen erzeugen. Man spricht auch vom sogenannten “Underlying Event”, das sich nicht vom harten Streuereignis trennen lässt. Die Effekte des “Underlying Event” können in der Simulation einer Proton-Proton-Kollision nur durch Modelle beschrieben werden, die an die Daten angepasst werden müssen. Die ATLAS-Kollaboration hat eine Datenanalyse vorgestellt, die es erlaubt, die Eigenschaften des “Underlying Event” mit neuen Meßgrößen zu untersuchen. Die Resultate werden helfen, die Simulationsmodelle für das “Underlying Event” zu verbessern. Die Analyse hat erfolgreich eine neue Methode angewendet, um den Effekt von zusätzlichen Proton-Proton-Streuungen in der selben Begegnung der Protonpakete zu korrigieren.

Die Analyse selektierte Proton-Proton-Kollisionen, in denen ein Z-Boson durch eine “harte” Quark-Antiquark-Annihilation produziert wird. Das Z-Boson wurde über den Zerfall in ein Lepton-Antilepton-Paar rekonstruiert. Für die weitere Analyse wurden nur noch geladene Teilchen ohne das Lepton und Antilepton betrachtet. Mit den geladenen Teilchen wurden sogenannte “Event Shape”-Variablen berechnet.


Diese charakterisieren, ob die geladenen Teilchen eher isotrop in alle Raumrichtungen oder eher in Teilchenbündeln emittiert werden. Zusätzlich wurden die Meßgrößen für verschiedene Impulsbereiche des Z-Bosons transversal zur Protonstrahlachse bestimmt.

Für kleine Transversalimpulse des Z-Bosons sollten die produzierten geladenen Teilchen hauptsächlich durch die Parton-Parton- Streuungen des “Underlying Event” erzeugt werden. Finden viele (wenige) zusätzliche Parton-Parton- Streuungen statt, dann sieht das Streuereignis eher (weniger) isotrop aus. Die Observablen sind darüberhinaus sensitiv auf nichttriviale Korrelationen aufgrund der Farbladungswechselwirkung der Partonen.

Am LHC finden in der Begegnung zweier Protonpakete nicht nur eine, sondern mehrere Proton-Proton-Kollisionen statt (“Pile-up”). Die größte Herausforderung der Analyse bestand darin, den Einfluß geladener Teilchen zu quantifizieren, die aus anderen Proton-Proton-Kollisionen stammen. Daher wurden nur 7 TeV-Daten aus 2011 verwendet, in denen die Zahl der Kollisionen in einer Paketbegegnung klein war. Trotzdem kann es passieren, dass der Vertex einer weiteren Kollision so nahe am Vertex der interessanten Kollision liegt, dass nicht festgestellt werden kann, ob die geladenen Teilchen nur einer Proton-Proton-Wechselwirkung entstammen.

Der “Pile-Up”-Effekt wurde mit einer neuen Methode (J. Monk und C. Oropza-Barrera, NIM A 701 (2013) 17) bestimmt. Dazu wurde eine Sammlung von Spuren geladener Teilchen erstellt. Aus dieser Sammlung wurden den Datenverteilungen entsprechend Spuren zufällig ausgewählt und zu den in der Analyse selektierten Spuren hinzugefügt, um den Effekt der Zusatzkollisionen zu simulieren. Die Prozedur wurde mehrfach wiederholt, um zu quantifizieren, wie der “Pile-Up”-Effekt die Meßgrößen bei mehrfacher Anwendung verändert. Aus dieser Kenntnis wurden die Observablen auf den Fall ohne “Pile-Up”-Effekt extrapoliert.

Die Abbildung zeigt die “Event Shape”-Variable Transverse Thrust Τ für kleine Transversalimpulse des Z-Bosons. Große Werte von Τ charakterisieren isotrope Verteilungen. Zum Vergleich werden die Vorhersagen verschiedener Simulationsmodelle gezeigt, die die Daten unterschiedlich gut beschreiben können.

Die Analyse wurde von Holger Schulz in der Gruppe von Heiko Lacker an der Humboldt-Universität zu Berlin durchgeführt. Die Veröffentlichung (http://arxiv.org/abs/1602.08980) erscheint in Kürze im European Physical Journal C.

Kontakt:
Prof. Dr. Karl Jakobs, karl.jakobs@uni-freiburg.de
Prof. Dr. Heiko Lacker, lacker@physik.hu-berlin.de
Prof. Dr. Hans-Christian Schultz-Coulon, coulon@kip.uni-heidelberg.de

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