Erster 3σ-Nachweis für den Zerfall des Higgs-Bosons in b-Quarks

Die ATLAS-Kollaboration hat starke Hinweise auf den Zerfall des Higgs-Bosons in Bottom-Quark-Paare, H → bb gefunden. Im Standardmodell der Teilchenphysik weist dieser Zerfall zwar mit etwa 58% das größte Verzweigungsverhältnis auf, kann aber aufgrund des hohen Untergrunds nur sehr schwer nachgewiesen werden. Für den Nachweis wird in entsprechenden Analysen deshalb neben dem Higgs-Boson ein weiteres Teilchen im Endzustand gefordert, im konkreten Fall ein W- oder ein Z-Boson. Für das jetzt veröffentlichte Ergebnis wurden Daten, die im letzten und vorletzten Jahr bei einer Schwerpunktsenergie von √s = 13 TeV mit dem ATLAS Detektor aufgezeichnet wurden, mit Daten aus den Jahren 2012 und 2011 kombiniert. Damit konnte der Zerfall H → bb mit einer Signifikanz von 3.6σ nachgewiesen werden; die ermittelte Signalstärke von μ = 0.90 ± 0.18(stat.) +0.21 −0.19 (syst.) stimmt gut mit der Vorhersage des Standardmodells überein.

Das Higgs-Boson konnte bisher nur in Endzuständen mit Paaren von Photonen, W- und Z-Bosonen sowie τ Leptonen nachgewiesen werden; für Endzustände mit Quarks ist das noch nicht möglich. Der Zerfall des Higgs-Teilchens in Paare von b-Quarks ist dabei von besonderem Interesse, da er den dominanten Beitrag zur Zerfallsbreite des Higgs- Bosons liefert. Die Schwierigkeit der Analyse besteht in dem schlechten Signal-zu-Untergrund-Verhältnis, das sich aufgrund des hadronischen Zerfalls des Higgs-Bosons ergibt. Deshalb wurde für die hier beschriebene Analyse die assoziierte Produktion des Higgs-Bosons mit leptonisch zerfallenden W- und Z-Bosonen untersucht; damit erhält man eine Signatur, die sowohl eine effiziente Vorselektion im Trigger als auch eine ausreichende Unterdrückung der Untergrundprozesse erlaubt. Zusätzlich wurde eine multivariate Analysemethode basierend auf sog. Boosted Decision Trees verwendet, um das Signal des Higgs-Zerfalls möglichst effizient vom Untergrund zu trennen. Die Abbildung zeigt die invariante Masse der zwei b-Quark-Jets, die dem Higgs-Zerfall zugeordnet wurden, nach der Subtraktion aller Untergrundprozesse mit Ausnahme der Produktion zweier Vektorbosonen.


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Invariante Masse der zwei b-Quark-Jets nach Subtraktion des Untergrunds mit Ausnahme der Vektorboson-Paarproduktion.

Durch die Kombination neuer ATLAS-Daten mit vorherigen Analyseergebnissen wurde der Zerfall in b-Quark-Paare nun mit einer Signalsignifikanz von 3.6σ bei einer Erwartung von 4.0σ nachgewiesen. Die ermittelte Signalstärke von μ = 0.90 ± 0.18(stat.) +0.21 −0.19(syst.) ist in guter Übereinstimmung mit der Vorhersage des Standardmodells. Damit liegt erstmals eine 3σ-Nachweis für diesen Zerfall H → bb bei ATLAS vor. Nächstes Ziel ist nun, mit weiteren Daten aus den Jahren 2017 und 2018 sowie durch Kombination mit Ergebnissen der CMS-Kollaboration den zweifelsfreien Nachweis des Zerfalls H → bb mit einer Signifikanz von über fünf Standardabweichungen zu führen.



Die Daten der Jahre 2015 und 2016 wurde darüber hinaus auch auf Hinweise für neue Teilchen untersucht, die in den W/ZH(H → bb) Endzustand zerfallen, wie z.B. das pseudoskalare Higgs-Boson A im Zerfall A → ZH. Um einen möglichst großen Massenbereich abzudecken, wurden sowohl Topologien, in denen der H → bb Endzustand als zwei separate Jets rekonstruktiert wird, analysiert, als auch solche, in denen nur ein (breiter) Jet nachgewiesen werden kann. Es wurden keine signifikanten Abweichungen von der Standardmodellerwartung beobachtet und Grenzen auf die Produktionswirkungsquerschnitte von neuen schweren Eichbosonen (Wʹ, Zʹ) in Heavy-Vector-Triplet-Modellen und von pseudoskalaren Higgs-Bosonen A in Zwei-Higgs-Dublett-Modellen gesetzt.



An den Analysen waren die beiden deutschen Institute aus Bonn und Freiburg maßgeblich beteiligt. Die Resultate wurden als vorläufige Ergebnisse auf der EPS-HEP Konferenz Anfang Juli in Venedig präsentiert (ATLAS-CONF-2017-041, ATLAS-CONF-2017-055); die Publikationen werden in den kommenden Wochen erwartet.




Kontakt:
Dr. Tatjana Lenz, tlenz@physik.uni-bonn.de
Dr. Christian Weiser, Christian.Weiser@physik.uni-freiburg.de
Prof. Dr. Hans-Christian Schultz-Coulon, coulon@kip.uni-heidelberg.de


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