Neuer Higgszerfall entdeckt: Das winzige Elementarteilchen zerfällt auch in zwei Bottom-Quarks.

2012 war es die Sensation: Erstmals wiesen Forschende am CERN das seit Jahrzehnten vorhergesagte Higgsteilchen nach. Nun wurde eine weitere Vorhersage bestätigt: Das winzige Elementarteilchen zerfällt auch in zwei Bottom-Quarks.

Alles, was wir sehen, Menschen, Pflanzen oder Planeten, besteht aus Materieteilchen. Doch die Welt der kleinsten Teilchen ist hochkomplex. Aus grundlegenden Fragen zu den Gesetzen und Bedingungen in diesem Teilchenkosmos hat sich über die Jahre das anerkannte Standardmodell der Teilchenphysik herausgebildet. Es fasst unser Verständnis der Elementarteilchen zusammen und hat bis heute Bestand. Das Higgsteilchen stellt darin ein wichtiges Puzzleteil dar. Die Entdeckung vor sechs Jahren am Large Hadron Collider (LHC) – dem weltweit größten und leistungsstärksten Teilchenbeschleuniger – eröffnete den beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ein reichhaltiges Forschungsprogramm rund um die Eigenschaften des exotischen Elementarteilchens.



Invariante Masse H->bb


Invariantes Massenspektrum (ATLAS, HIGG-2018-04)



Unabhängiger Nachweis durch zwei Forschungsgiganten

Jetzt ist es zwei unabhängigen Forscherteams am LHC geglückt, den Higgszerfall in zwei sogenannte Bottom-Quarks nachzuweisen. Die Experimentgruppen ATLAS und CMS gaben kurz hintereinander diese Entdeckung aus der Physik der kleinsten Teilchen bekannt.
Schon vor dem konkreten Nachweis hatten Theoretikerinnen und Theoretiker seit längerem den Zerfall in Bottom-Quarks vorhergesagt. Doch obwohl es sich demnach um ein häufiges Zerfallsmuster handelt – es tritt in 58 Prozent der Fälle auf –, ist es den Teams erst jetzt gelungen, die Teilchenbruchstücke eindeutig auf das Higgsteilchen zurückzuführen. Da sich diese Reaktion nicht direkt beobachten lässt, rekonstruieren die Forscherinnen und Forscher stattdessen die Zerfallsprodukte der Teilchenkollisionen im LHC. Hierzu nutzen sie hochpräzise Nachweisgeräte von der Größe eines Mehrfamilienhauses. Die Herausforderung dabei: Das auftretende Muster ähnelt anderen, weitaus häufiger auftretenden Zerfällen, bei denen das Higgsteilchen gar nicht beteiligt ist. Entsprechend wichtig sei die Anzahl der aufgezeichneten Kollisionsereignisse: „Der Zeitpunkt der Entdeckung ergab sich im Wesentlichen aus dem Umfang der zur Verfügung stehenden Datenmenge, die erst jetzt für die Entdeckung ausreichend war“, betont Lutz Feld, Professor an der RWTH Aachen und Verbundsprecher der deutschen CMS-Beteiligung. Genauso wichtig sind moderne Hardware, mit denen die Forscherinnen und Forscher die Teilchenbruchstücke präzise vermessen können, und leistungsfähige Analysetechniken basierend auf maschinellem Lernen.
Quarks erhalten ihre Masse über den Higgsmechanismus
An der Datenanalyse haben sich deutsche Gruppen wesentlich engagiert. „Es ist fantastisch, dass wir endlich den bei weitem häufigsten Higgszerfall nachgewiesen haben“, fasst Volker Büscher, Professor an der Johannes Gutenberg-Universität und Verbundsprecher der deutschen ATLAS-Beteiligung, das neue Ergebnis in Worte. Das Bottom-Quark ist eines von den Elementarbausteinen, aus denen Materie besteht. Die neue Entdeckung bestätigt die Vermutung, dass auch die Quarks über den sogenannten Higgsmechanismus ihre Masse erhalten.



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ATLAS Eventdisplay (ATLAS)



Entdeckung war auch dank deutschen Forschenden

Deutsche Forschergruppen leisten über von Deutschland (BMBF, HGF und MPG) finanzierte Forschungsprojekte einen maßgeblichen Beitrag zu neuesten Erkenntnissen aus der Welt der kleinsten Teilchen. Im ATLAS- und CMS-Experiment entwickeln sie zum Beispiel Detektorkomponenten weiter, erarbeiten neue Analysemethoden und stellen komplexe Algorithmen für die Forschung am LHC zur Verfügung. „Sehr große Verantwortung haben die deutschen Gruppen auch für den Silizium-Pixeldetektor im innersten Zentrum des Detektors übernommen, der insbesondere für diese Messung sehr wichtig war. Auch das geplante LHC-Upgrade erfordert einen Umbau, damit die Detektoren mit den höheren Belastungen umgehen können“, ergänzt Verbundsprecher Büscher. Er verweist damit auf den zweistufigen Leistungsausbau des Large Hadron Collider. In der Folge wird sich ab 2026 die Kollisionsrate auf ein Rekordniveau von rund fünf Milliarden Teilchenreaktionen pro Sekunde erhöhen.



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CMS Eventdisplay (CMS)



Weitere Infos:
Zur Original-BMBF-Pressemitteilung
CERN Pressemitteilung

Allgemeine Infos:
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