Suche nach schweren Higgs-Bosonen setzt neue Grenzen für supersymmetrische Modelle

Die ATLAS-Kollaboration am CERN liefert derzeit zahlreiche Forschungsergebnisse, die auf dem gesamten Datensatz beruhen, der 2015-2018 während des "Run-2" des Large Hadron Colliders (LHC) aufgezeichnet wurde. Die Suche nach Phänomenen jenseits des Standardmodells der Teilchenphysik ist dabei im Fokus. Falls in der Natur supersymmetrische Erweiterungen des Standardmodells realisiert sind, werden weitere Higgs-Bosonen vorhergesagt, die bevorzugt schwerer sind als das bereits 2012 am LHC entdeckte Higgs-Boson, welches eine Masse von 125 GeV hat. Bei der Suche nach dem Zerfall dieser neuen Higgs-Bosonen in Tau-Lepton-Paare konnte zwar kein signifikantes Signal entdeckt, aber zentrale Parameter des erweiterten Higgs-Sektors für Higgs-Massen bis 2.5 TeV eingeschränkt werden. Diese Ergebnisse wurden von der Zeitschrift Physics Review Letters als besonders wichtig und interessant befunden und die Publikation[1] als "editors suggestion" empfohlen.

In zahlreichen Erweiterungen des Higgs-Sektors werden außer dem bereits bekannten Higgs-Boson vier weitere Higgs-Teilchen vorhergesagt, von denen zwei elektrisch geladen (H±) und zwei neutral (A, H) sind. Die relative Häufigkeit des Zerfalls der neutralen Higgs-Bosonen in Tau-Lepton-Paare kann durch den Modell-Parameter tanβ erhöht werden. Dieser Parameter gibt das Verhältnis der Vakuumerwartungswerte der beiden SU(2)-Higgs-Dubletts an, deren physikalische Zustände die fünf Higgs-Bosonen sind. Da die Tau-Leptonen aus dem Higgsboson-Zerfall instabil sind, wird im ATLAS-Detektor nach Zerfallsprodukten der Tau-Leptonen gesucht. Am Ende der Zerfallskette werden schließlich Elektronen, Myonen oder Hadronen nachgewiesen, wobei zusätzlich Neutrinos entstehen, die man durch Abweichungen von der Impuls-Balance aller Teilchen erkennen kann. Die an der Datenanalyse beteiligten deutschen Arbeitsgruppen aus Bonn, Dresden und Göttingen nutzten ihre langjährige Expertise in der Tau-Erkennung, um das Signal schwerer A- und H-Bosonen vom gewöhnlichen Standardmodell-Untergrund zu trennen. Eine besondere Herausforderung ist dabei, dass die Modellierung des Untergrunds zum großen Teil anhand der Messdaten selbst erfolgen muss. Um die Sensitivität der Analyse zu erhöhen, werden zudem multivariate Methoden wie geboostete Entscheidungsbäume verwendet.

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Abb. 1: Spektrum der totalen, transversalen Masse für selektierte Ereigniskandidaten mit voll hadronischem Zerfall A/H→ττ in der ``b-tag''-Kategorie[1].

Schließlich wird das transversale Massenspektrum der Higgs-Kandidaten ausgewertet, welches in Abb. 1 für den voll hadronischen Endzustand mit zusätzlichen b-Quark-Jets gezeigt ist. Das Signal lässt sich besonders im hohen Massenbereich über 500 GeV gut vom Untergrund trennen. Im Mh125-Szenario[2] des MSSM, bei dem das leichteste, neutrale Higgs-Boson mit dem bereits entdeckten in seinen Eigenschaften übereinstimmt, sind weite Bereiche im Parameterraum tanβ-mA nicht mit den Messdaten kompatibel. Zum Beispiel sind Werte von tanβ>8 für schwere A-Bosonmassen von 1 TeV mit 95\% Konfidenzniveau ausgeschlossen, wie in Abb. 2 zu erkennen ist.

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Abb. 2: Obere Grenze des Parameters tanβ als Funktion von mA im Mh125-Szenario mit 95% Konfidenzniveau[1].

Die publizierten Ergebnisse[2] verbessern somit die Grenzen früherer Analysen und setzen einige der stärksten Ausschlussgrenzen im Parameterraum vieler Theoriemodelle. Besonders die Promovierenden Lino Gerlach (Göttingen) und Max Märker (Dresden) waren tatkräftig in der Datananalyse engagiert.

[1] ATLAS Collaboration, Phys. Rev. Lett. 125 (2020) 051801.

[2] E. Bagnaschi, H. Bahl, E. Fuchs, et al., Eur. Phys. J. C79, 617 (2019).

Kontakt:

Prof. Dr. Arno.Straessner, arno.straessner@tu-dresden.de

Prof. Dr. Volker Büscher, buescher@uni-mainz.de

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